JÜNGERE GESCHICHTE: 1945 - HEUTE
ROTE ARMEE & MAXIM-GORKI-THEATER
Das Stammhaus am Kastanienwäldchen wird nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges durch die sowjetische Besatzungsmacht beschlagnahmt, unter sowjetische Verwaltung gestellt und 1947 auf Befehl der sowjetischen Militäradministration (SMA) als Mehrspartenhaus wieder aufgebaut. Die beiden angebauten Treppenhäuser werden abgebaut, ein Bühnenturm im Norden aufgebaut. Die Zugangstreppen zum Saal werden verändert, die Seitenempore wird zurückgebaut, die großen Fenster werden vermauert. Der Saal ähnelt jetzt einem Kinosaal der Zeit. Ab Mai 1947 wird es als Spielstätte, u.a. für Chor und Tanzensemble der Roten Armee, genutzt.
Im Mai 1950 übergibt die Sowjetische Kontrollkommission die Verwaltung an die Regierung der DDR, die die Nutzung der „Gesellschaft für deutsch-sowjetische Freundschaft" überträgt. Seit 1952 und bis heute ist es Spielstätte des Maxim-Gorki-Theaters.
Das Fasch-Denkmal auf dem Vorplatz verschwindet. Im Fries der Fassadenfront wird die Aufschrift „Sing-Akademie zu Berlin" durch „Maxim Gorki Theater" ersetzt. An die Sing-Akademie erinnern nur noch die Lettern „Z-E-L-T-E-R" auf den Säulenkapitälen des Portikus und eine im Jahr 1998 angebrachte Gedenktafel.
1961 erfolgt die Löschung der Sing-Akademie als Eigentümerin im Grundbuch und die Eintragung „Eigentum des Volkes", (Foto vom Dokument) obwohl zu keinem Zeitpunkt eine förmliche Enteignung stattgefunden hatte. Im Jahr 1993 wird das Land Berlin als Rechtsnachfolger des Rechtsträgers im Grundbuch eingetragen.
STREIT UMS RECHT
Nach dem Fall der Mauer und der Vereinigung beider deutscher Staaten stellt die Sing-Akademie einen Antrag auf Rückübertragung der Grundstücke und des Gebäudes. Der Antrag wird im Jahr 1996 von der Berliner Behörde abgelehnt; ebenso der hiergegen gerichtete Widerspruch. Als Begründung der Ablehnung führt die Behörde u.a. aus, die heutige Sing-Akademie sei mit der damaligen Eigentümerin nicht identisch; es handele sich vielmehr um eine Nachkriegs-Neugründung. Im Übrigen sei eine Enteignung auf besatzungsrechtlicher Grundlage erfolgt und daher eine Rückgabe nicht möglich. Die Sing-Akademie erhebt daraufhin Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin.
Mit Urteil vom 03.12.2004 weist das VG die auf Rückübertragung nach dem VermG gerichtete Klage der Sing-Akademie ab, allerdings mit der sensationellen Begründung, dass eine Rückübertragung nur deshalb nicht erfolgen könne, weil die klagende Sing-Akademie nie enteignet worden sei und daher ihr Eigentum gar nicht verloren habe. Keinen Zweifel lässt das Gericht daran, dass es sich bei der heutigen Sing-Akademie um die 1791 gegründete und im Jahr 1817 rechtsfähig gewordene Gesellschaft handelt; von einer zwischenzeitlichen Auflösung könne keine Rede sein. Das Gericht hält die Sach- und Rechtslage für so eindeutig, dass es Rechtsmittel gegen die Entscheidung nicht zulässt.
Die Sing-Akademie ersucht daraufhin den Senat von Berlin um Berichtigung des Grundbuchs. Es folgt ein acht Jahre dauernder Prozess über drei Instanzen. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe stellt durch rechtskräftiges Urteil vom 07.12.2012 das Eigentum der Sing-Akademie endgültig fest. Der BGH schließt sich im Ergebnis vollständig dem Urteil des VG Berlin aus dem Jahre 2004 an. Am 22.03.2013 wird die Sing-Akademie wieder als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.
Damit endet nach mehr als 20 Jahren der Kampf um das Eigentum am Haus am Kastanienwäldchen, der Sing-Akademie.
Das 1891 zum hundertjährigen Bestehen der Institution auf dem Platz vor dem Haus errichtete, in den 1930er Jahren abgebaute und seit 1947 im Märkischen Museum aufbewahrte Denkmal des Gründers Carl Friedrich Christian Fasch wird 2012 als Kopie an alter Stelle neu errichtet.
NUTZUNG DES HAUSES AM KASTANIENWÄLDCHEN
In der gegenwärtigen baulichen Ausstattung ist das Gebäude für die eigenen, vorwiegend musikalischen Zwecke der Sing-Akademie ungeeignet. Der ebene, lichtdurchflutete große Konzertsaal mit hervorragender Akustik und 1.100 Sitzplätzen wurde nach 1945 nicht wieder hergestellt. Stattdessen baute man einen mittelgroßen Theatersaal (nur noch 433 Sitzplätze) mit Zuschauertribüne, Empore, Bühne und Bühnenturm ein. Die Ausstattung steht unter Denkmalschutz und ist akustisch in keiner Weise für musikalische Darbietungen tauglich.
Der Senat von Berlin hat stets sein Interesse am Fortbestand des Gorki-Theaters am Ort bekundet und dies durch den Ausbau des Spielbetriebs, neue Intendanz und Sicherung der Finanzierung unterstrichen.
Mitte 2015 einigen sich das Land Berlin und die Sing-Akademie über die Nutzung des Hauses. Damit endet nach mehr als 26 Jahren das Ringen um das Haus am Kastanienwäldchen. Der Fortbestand des Ensembles des Maxim-Gorki-Theaters am Standort ist gesichert. Alle Fragen der Nutzung des Gebäudes in Vergangenheit und Zukunft sind geklärt.